Unsere Gemeinderätin Barbara Jost ist zuständig für das Asylwesen in Binningen. Schon vor einem Jahr hat sie vorausschauend die nötigen Schritte unternommen und die Organisation so aufgegleist, dass jetzt alles bereit ist, falls die Zahlen der Asylsu-chenden steigen sollten. Im Moment ist das nicht der Fall.
Zur aktuellen Situation in Binningen (Binninger Anzeiger vom 17.6.2015) sagt Barbara Jost:
„Tagtäglich werden wir mit der Situation von flüchtenden Menschen in den Medien konfrontiert, zum Teil mit erschütternden Bildern. Das löst Betroffenheit aus. Ich freue mich, dass auch in Bin-ningen die Bereitschaft der Bevölkerung spürbar ist, Menschen, die auf der Flucht sind, aufzu-nehmen und konkrete Hilfe zu leisten. In Zusammenarbeit mit dem Kanton sind wir von Seite Gemeinde besorgt, soweit wie möglich Flüchtlinge aufzunehmen und in den bestehenden Ange-boten unterzubringen und zu betreuen. Zur Zeit haben wir für Binningen, auch dank der guten Zu-sammenarbeit mit Reinach, noch genügend Plätze, die bestehenden Strukturen reichen also noch aus. Momentan sind die Zuweisungen eher rückläufig. In Binningen sind aktuell 73 (79 mögliche Plätze) Asylsuchende untergebracht, in Reinach sind es 9 Binninger Asylsuchende (das Kontin-gent beträgt 30 Plätze).
Wir sind zudem daran, zu prüfen wo und wie wir in Binningen bei steigenden Zuweisungen mehr Asylsuchende unterbringen könnten. Eine Möglichkeit, ganz konkret Hilfe zu leisten, wäre, eine unbegleitete minderjährige Asylsuchen-de aufzunehmen. Vermehrt treffen auch bei uns Kinder zwischen 11 und 17 Jahren ein, die alleine ohne Familie geflüchtet sind. Im Kanton Baselland gibt es noch kein Heim für minderjährige Asyl-suchende. Sie werden in Pflegefamilien oder in den bestehenden Asylheimen untergebracht. Wer für die Aufnahme eines Kindes den dazu nötigen Platz und die Zeit hat, kann sich direkt beim Pflegefamiliendienst von Familea, www.familea.ch (Kinder- und Jugendhilfe), melden.“
Im Folgenden das ganze Interview aus dem Binninger Anzeiger vor einem Jahr. Gouverner c’est prévoir.
Genügend Wohnraum für Asylsuchende zu schaffen, bleibt eine Herausforderung
Das Asylwesen ist Sache des Bundes. Er erlässt die gesetzlichen Grundlagen, welche die Kanto-ne vollziehen. Die Gemeinden ihrerseits sind verpflichtet, eine bestimmte Anzahl Asylsuchende aufzunehmen. Die zuständige Gemeinderätin Barbara Jost berichtet im Gespräch, wie die aktuel-le Situation in Binningen aussieht.
Das kantonale Sozialamt teilte den Gemeinden im September 2008 mit, dass die Aufnah-mepflicht von 0,8 Prozent Asylsuchende gemessen an der Einwohnerzahl per 2009 einge-fordert wird. Was bedeutete das für Binningen?
Barbara Jost: Genügend Wohnraum für Asylsuchende zu schaffen, ist eine ständige Herausforde-rung. Die Forderung nach 0,8 Prozent ist sportlich, wenn wie im Fall von Binningen nicht einmal für 0,6 Prozent ausreichend Wohnraum zur Verfügung gestellt werden konnte. Die Einforderung der 0,8 Prozent zwang die Gemeinde, nach neuen Lösungen zu suchen, da in den bisherigen Un-terkünften keine Erweiterung des Wohnraums mehr möglich war.
Welche Lösung hat die Gemeinde gefunden?
Das Resch-Haus im Dorfzentrum stand leer und war geeignet, um mit wenig baulichen Mass-nahmen neue, annehmbare Plätze zu schaffen. Am 1. April 2009 wurde das Resch-Haus eröff-net. Damit konnte jedoch erst eine Unterbringungsquote von 0,6 Prozent abgedeckt werden. Es war klar, dass es bald eine neue Lösung brauchte, zumal für das Resch-Haus eine andere Nut-zung geplant war und der zur Verfügung gestellte Wohnraum nicht ausreichte, um die geforderte Quote zu erfüllen.
Bis Ende 2010 beherbergte das Resch-Haus bis zu 40 Asylsuchende. Wie ging es an-schliessend weiter?
Die Gemeinde suchte darauf Umnutzungsmöglichkeiten von Liegenschaften in Binningen selbst, Containerlösungen sowie die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden.
Welche Unterbringungsmöglichkeiten kann Binningen heute anbieten?
Aktuell bietet die Gemeinde Plätze in der Unterkunft an der Kernmattstrasse 41 an. Die Unterkunft an der Kernmattstrasse 18 musste Mitte 2013 geschlossen werden, da dieser Wohnraum nicht mehr zugemutet werden konnte und eine umfassende Sanierung teuer gekommen wäre. Der Münsterplatz 6 wurde teilweise für Asylsuchende genutzt. Jetzt steht auch hier eine Sanierung an. Einige Personen, vor allem solche mit dem Status „vorläufig aufgenommene Flüchtlinge“, wohnen in privaten Unterkünften.
Musste die Gemeinde neuen Wohnraum schaffen?
Ja. Auch wenn die Zahl der neu zugeteilten Asylsuchenden eine Zeit lang eher klein war, muss die Gemeinde für Neuaufnahmen bereit sein. Dank eines privaten Angebots konnte die Gemeinde in diesem Frühjahr an der Bottmingerstrasse ein Haus mieten, das einfachen, aber guten Wohnraum für die nächsten paar Jahre bietet.
Im Frühjahr 2009 wollten acht Leimentaler Gemeinden die Zusammenarbeit in Asylfragen verstärken. Wie sieht die Zusammenarbeit heute aus?
Die Zusammenarbeit im Leimental wurde geprüft. Um genügend Plätze für eine koordinierte Asylunterbringung bieten zu können, hätte gebaut werden müssen. Dazu fand sich in keiner Ge-meinde ein geeigneter Platz oder eine breite Zustimmung. In der Gemeinde Reinach, die ein Asyl-zentrum betreibt und auf eine hohe Auslastung angewiesen ist, damit das Zentrum wirtschaftlich geführt und die Projekte durchgeführt werden können, konnte ab 2011 eine Partnerin gefunden werden. Seither sind bis zu 30 Personen, die dem Kontingent Binningen zugeordnet sind, in Rein-ach untergebracht.
Woher kommen die Asylsuchenden hauptsächlich?
Viele Asylsuchende kommen aus Eritrea. Aber auch ein wachsender Anteil Personen aus Syrien ist seit längerer Zeit spürbar. Vereinzelte Menschen kommen aus Afghanistan, aus Sri Lanka,
Viele sind skeptisch und haben Vorurteile gegenüber Asylsuchenden. Wie haben die Nachbarn der Asylunterkünfte reagiert?
Wir profitieren heute von der Kooperation mit Reinach und auch von der guten Zusammenarbeit mit dem Kanton. Das erlaubt uns, in der Gemeinde vor allem Familien aufzunehmen. In der neuen Unterkunft an der Bottmingerstrasse wohnen drei syrische Grossfamilien, die Kinder gehen be-reits zur Schule. Mit dem Familienzentrum, den niederschwelligen Angeboten, der guten Zusam-menarbeit mit den kirchlichen Sozialdiensten und mit der ORS Service AG sind Familien mit Kin-dern bei uns gut aufgehoben. Sie haben Gelegenheit, sich entsprechend ihren Möglichkeiten zu integrieren. In Binningen sind selten untätige Asylsuchende auf der Strasse anzutreffen. Einige beteiligen sich sogar am Littering-Projekt, das in Zusammenarbeit mit der ORS und dem Werkhof 2009 gestartet wurde und bis heute läuft. Die arbeitswilligen Asylsuchenden geniessen eine Wert-schätzung und Anerkennung in Binningen. Einzelpersonen werden meist Reinach zugeteilt, das mit seinem Zentrum dafür gut eingerichtet ist.
Bei Schwierigkeiten ist wichtig, dass Betroffene rasch das Gespräch mit der Gemeinde und der zuständigen ORS-Betreuungsperson suchen. Auf die Eröffnung der neuen Asylunterkunft an der Baslerstrasse haben wir offiziell nur eine Reaktion erhalten. Der Einzug der syrischen Familien ist ohne Aufsehen und reibungslos verlaufen. Darüber bin ich sehr froh.
Ein Neubau ist kein Thema mehr?
Der Asylwohnraum wird uns in nächster Zeit weiterhin beschäftigen, da die Kernmattstrasse 41 in einem baulich sehr schlechten Zustand ist. Die Suche geht also weiter, und auch ein Neubau wird in absehbarer Zeit wieder diskutiert werden müssen.
Interview: Erna Truttmann